Informationen über das Walchenseekraftwerk © Texte und Bilder: Auszüge aus der Broschüre “Das Walchenseekraftwerk - Ein Juwel der Technik in den Alpen” Stand: 03-2012 © Herausgeber: Erzeugung Deutschland - E.ON Wasserkraft GmbH Luitpoldstraße 27, 84034 Landshut - Deutschland
Meilenstein der Wasserkraft
Die Bauphase von 1918 bis 1924: Das Speicherkraftwerk am Walchensee ist eine der ältesten und zugleich eine der leistungsfähigsten Wasserkraftanlagen von E-ON. Oskar von Miller hatte eine Vision. Er wollte Bayern flächendeckend mit Strom versorgen, um die Wirtschaft anzukurbeln und den Wohlstand zu vermehren. Angeregt durch die damaligen Industrieausstellungen in den Metropolen Europas und Nordamerikas, organisierte der 27-jährige Oskar von Miller 1882 eine ähnliche Ausstellung im Münchner Glaspalast. Sie sollte zur Initialzündung für die Elektrizitätsversorgung in Bayern werden. Die absolute Sensation war, dass zum ersten Mal Strom über eine größere Entfernung übertragen wurde. Mit einer Spannung von 150 bis 200 Volt floss Strom von Miesbach - wo er erzeugt worden war - ganze 57 Kilometer bis zum Glaspalast nach München. Oskar von Miller lieferte so den Beweis, dass sich Strom auch über große Strecken transportieren lässt. Das Königreich Bayern verfügte über wenig Kohlevorräte. Daher regte von Miller bereits 1911 an, generell auf die Wasserkraft zu setzen, um Strom zu gewinnen. Einzelne Kraftwerke sollten über ein umfassendes Hochspannungsnetz ganz Bayern, aber auch die Bahn, mit Strom aus Wasserkraft versorgen. Am 21. Juni 1918 beschloss der Bayerische Landtag den Bau des Walchenseekraftwerks - so wie es von Miller geplant und vorgeschlagen hatte. Um Strom zu gewinnen, sollten die 200 Meter Höhenunterschied zwischen Walchensee und Kochelsee genutzt werden.
Es begann am Walchensee Der Bau des Walchenseekraftwerks war für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg eine Meisterleistung. Über 2.000 Arbeiter und Ingenieure fanden am Kochelsee Brot und Arbeit. ln dem sehr dünn besiedelten Gebiet gab es zunächst so gut wie keine Straßen oder Wohnungen für die Beschäftigten. Unter unvorstellbaren Mühen mussten die Arbeiter schwerste Bauteile wie Rohre, Turbinen und Generatoren herbeischaffen. lm Winter war das Baumaterial teilweise nur mit Schlitten zu befördern. Am 24. Januar 1924 war es soweit: Das Wasser vom Walchensee trieb zum ersten Mal eine Turbine an. Aus einem der sechs Rohre schoss das Wasser auf eine Turbine im Kraftwerk. Ihre Drehbewegung brachte wiederum den gekoppelten Generator zum Laufen. Der erste Strom floss aus dem Kraftwerk in die Leitungen. ln den Monaten danach folgten die weiteren sieben Turbinen. Mit einer Leistung von 124.000 Kilowatt (124 Megawatt) war nun das Walchenseekraftwerk eines der größten Wasserkraftwerke der Welt. Auch heute noch gilt es mit seinen rund 300 Millionen Kilowattstunden (300 Gigawattstunden) pro Jahr als eines der größten Hochdruckspeicherkraftwerke in Deutschland.
Energie erzeugen mit System
Prinzip der Energieerzeugung am Walchensee Das Prinzip Speicherkraftwerk Der Anlagenkomplex am Walchensee ist ein schönes Beispiel für ein Speicherkraftwerk. Sie nutzt den Höhenunterschied zwischen einem hoch gelegenen Speichersee, dem Walchensee, und dem tiefer gelegenen Wasserkraftwerk.
Wasser als Ressource sinnvoll nutzen Um den Walchensee dauerhaft als Energiespeicher zu nutzen, muss ihm Wasser zugeführt werden. Hierfür sahen die Planer beim Bau des Walchenseekraftwerks in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts eigens errichtete Überleitungen der Isar und des Rißbachs vor. Die 1924 in Betrieb gegangene Isarüberleitung und die 1950 hinzugebaute Überleitung des Rißbachs schaffen die nötigen Wassermengen in den See. Bis in die 50er-Jahre entstand so ein umfangreiches Kraftwerkssystem, das heute von der Tiroler Landesgrenze bis nach Wolfratshausen reicht. Die übergeleiteten Wassermengen von Isar und Rißbach werden bereits vor dem Walchensee in den Kraftwerken Niedernach und Obernach zur regenerativen Stromerzeugung genutzt.
Die Anlagen am Walchensee Das Wasser wird zunächst am Isarwehr bei Krün aufgestaut. Dort fließt ein Teil des Isarwassers über ein Kanal- und Stollensystem in den Walchensee. Seit 1955 gewinnt auch das Obernachkraftwerk mit seinem rund 3.900 Meter langen Druckstollen Energie aus dem Isarwasser, das dort 70 Meter tief fällt. Um den Rißbach in den Walchensee zu leiten, entstanden der 3.650 Meter lange Grasberg- und der 3.300 Meter lange Hochkopfstollen. Über einen so genannten Düker, ein Tunnel unter der Isar, sind die beiden Stollen miteinander verbunden. Bevor das Rißbachwasser über eine Höhe von 20 Metern in den Walchensee fällt, erzeugt es im Niedernachkraftwerk Strom. lm Mittelpunkt des Kraftwerksystems stehen das Einlaufbauwerk bei Urfeld, der Stollen zum Wasserschloss, die weithin sichtbaren Rohrbahnen am Kesselberg sowie das Walchenseekraftwerk am Kochelsee mit seinen acht Turbinen. Der natürliche Ablauf aus dem Kochelsee in die Loisach kann durch eine Schleuse zusätzlich reguliert werden. lm weiteren Verlauf bespeist die Loisach das Kraftwerk Schönmühl bei Penzberg. Über die Wehranlage Beuerberg und den Loisach-Isar-Kanal fließt das Wasser dann weiter zur Isar.
Wasser aus dem Walchensee erzeugt Strom
Das Walchenseekraftwerk Der Stollen: Über das Einlaufbauwerk Urfeld strömt das Wasser in einen 1.200 m langen Stollen, dessen Sohle 10 m unter dem normalen Seespiegel liegt und der im Wasserschloss mündet.
Das Wasserschloss und die Druckrohre: Ein riesiges Wasserbecken gleicht Druckschwankungen aus. Diese entstehen, wenn die Turbinen angefahren, geregelt oder plötzlich abgestellt werden. Dabei hebt oder senkt sich der Wasserspiegel in dem 10.000 Kubikmeter fassenden Becken des Wasserschlosses. Von dort strömt das Wasser schließlich durch die 400 Meter langen Druckrohre zu den acht Turbinen im Krafthaus. Sie treiben die Generatoren zur Stromerzeugung an.
Sechs markante Bahnen - Die Druckrohre: Weithin sichtbares Markenzeichen des Walchenseekraftwerks sind seine Druckrohrleitungen. In sechs gewaltigen Rohrbahnen strömt das Wasser aus dem Ausgleichsbecken des Wasserschlosses hinunter ins so genannte Krafthaus. Die Rohre sind für einen Druck von 28 bar ausgelegt. Das entspricht ungefähr dem zehnfachen Reifendruck eines PKW. Sie haben oben eine lichte Weite von 2,25 Metern und unten einen Durchmesser von 1,85 Metern. Die Wandstärke der Rohre beträgt am Wasserschloss zehn Millimeter und am Kraftwerkseinlauf 27 Millimeter. Überraschend ist die hohe Qualität des Stahls, der für die Rohre verwendet wurde. Für die wirtschaftlich schwierige Situation der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war das bezeichnend. Bis heute erfüllen die Rohre die hohen technischen Anforderungen und zeugen so von der ingenieurstechnischen Kompetenz der Erbauer.
Die Maschinenhalle: In der Maschinenhalle von über 100 m Länge laufen vier Francis-Turbinen von je 18.000 kW (18 MW) Leistung. Sie sind gekoppelt mit vier Drehstromgeneratoren von 23.000 bis 25.000 kVA. Daneben arbeiten vier Pelton-Freistrahlturbinen von je 13.000 kW (13 MW) auf vier Einphasenstromgeneratoren von 12.500 bis 16.000 kVA. Letztere erzeugen ausschließlich Strom für den Zugbetrieb der Deutschen Bahn.
Die Transformatoren: Der Strom nimmt seinen Weg von den Generatoren zu den Transformatoren. Hier wird die Spannung - von der Generatorspannung, die 6,6 Kilovolt beträgt, auf die Netzspannung von 110 Kilovolt transformiert. Über die Sammelschienen in der Schaltanlage wird der Strom dann in die Freileitungen des Netzes eingespeist. Mit Leistungsschaltern kann hier der Energiefluss ein-, aus- oder umgeschaltet werden.
Der Auslaufkanal: Nachdem das Wasser über die Laufräder der Turbinen geführt und die potenzielle Energie des Wassers in die Drehbewegung der Turbinen umgesetzt wurde, fließt das Wasser durch einen kurzen Kanal in den Kochelsee.
Spannende Energie im Kraftwerk
Die technischen Daten Speicherkraftwerk Walchensee Das Maschinenhaus mit den Generatoren und Turbinen. Kathedrale der Technik - Das Krafthaus: Über die Druckrohrleitungen fließt das Wasser zu den Turbinen im 100 Meter langen Maschinenhaus. Dort laufen 4 Francis-Turbinen, die mit vier Drehstromgeneratoren von je 18.000 kW (18 MW) gekoppelt sind, sowie 4 Pelton-Turbinen, die mit 4 Einphasenstromgeneratoren von je 13.000 kW (13 MW) verbunden sind. Nachdem die potenzielle Energie des Wassers in mechanische Drehenergie der Turbinen umgesetzt wurde, fließt das Wasser über den Auslaufkanal des Kraftwerks in den Kochelsee.
So kommt Strom zum Zug: Das Walchenseekraftwerk ist ein bedeutender Energielieferant für die Deutsche Bahn. Einphasengeneratoren, damals die größten der Welt, erzeugen den von ihr benötigten Strom. Insgesamt gehen von den rund 300 Millionen Kilowattstunden, die das Kraftwerk pro Jahr gewinnt, etwa zwei Drittel als Drehstrom in das 110-Kilovolt-Stromnetz und ein Drittel an die Deutsche Bahn.
Spitzenstrom für Spitzenlast: Strom muss in dem Moment erzeugt werden, in dem er gebraucht wird. Während des Tages schwankt der Strombedarf erheblich. Besonders zu Spitzenlastzeiten wie mittags um zwölf Uhr oder abends um acht Uhr kommen Speicherkraftwerke wie die Anlage am Walchensee zum Einsatz. Wird mehr Strom aus dem Netz angefordert, bringen die Maschinen sofort Höchstleistung. Wenn andere Energiequellen ihre Leistung herunterfahren oder ausfallen, gleicht das Walchenseekraftwerk den Bedarf aus. Die so genannte Regelenergie sichert eine zuverlässige Stromversorgung rund um die Uhr.
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