Das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 © by Jan Zduniak / Verlag “DECORA”, Olsztyn, Polen ISBN 83-900488-8-4
Nach der Machtübernahme durch Hitler waren sich viele Deutsche dessen
bewusst, daß er, wenn man ihn nicht bekämpfte, Deutschland in eine Katastrophe führen würde. Schon vor dem Krieg unternahmen Gegner Hitlers Attentatsversuche, jedoch scheiterten alle. In den Jahren 1938-44 bereitete eine Gruppe Offiziere Pläne für die Absetzung Hitlers vor.
Am 13. März 1943 besichtigte Hitler den Stab der Heeresgruppe in Smolensk. Als er mit dem Flugzeug zum Hauptquartier zurückkehrte, bat General Tresckow Oberst Brandt, der den Führer begleitete, Oberst Stieff ein Päckchen mit zwei Flaschen Cognac auszuhändigen. Im Päckchen war statt Cognac eine Zeitzünderbombe. Sie sollte während des Fluges explodieren. Umsonst warteten die Verschwörer auf die Nachricht von Hitlers Tod. Der Zünder funktionierte wohl, aber das Zündhütchen hatte nicht gezündet.
Acht Tage später, am 21. März 1943, kam Hitler zur Ausstellung sowjetischer Beutewaffen nach Berlin. Er sollte dort
eine halbe Stunde verweilen. Oberst Freiherr von Gersdorf wollte an ihn mit zwei in den Manteltaschen versteckten Bomben herantreten, um Hitler und sich selbst in die Luft zu sprengen. Hitler jedoch kürzte seinen Aufenthalt auf 8 Minuten. Es fehlte deshalb an Zeit, um das Attentat durchführen zu können.
Man rechnete damit, daß Hitler erneut die Armeeführer der Heeresgruppe Mitte
besuchen würde. Sieben Offiziere erklärten sich bereit, ihn mit Pistolen zu erschießen, aber Hitler kam nicht mehr nach Smolensk.
Da Hitler sich immer seltener an die Front oder nach Berlin begab, kamen die
Verschwörer zu der Überzeugung, dass das Attentat im Führerhauptquartier begangen werden musste. Diese Aufgabe konnte nur ein kühner, mutiger Mensch, der zugleich direkten Zugang zu Hitler hatte, übernehmen. Solch einen Menschen zu finden, war nicht leicht. General Olbricht schlug
vor, den talentierten Stabsoffizier, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, in die Verschwörung einzubeziehen.
1943 nahm Stauffenberg als erster Generalstabsoffizier der 10. Panzerdivision am
Afrikafeldzug teil. Am 7. April wurde sein Wagen von einem englischen Flugzeug angegriffen. Stauffenberg wurde schwer verletzt. Er verlor das linke Auge, den rechten Arm
und zwei Finger an der linken Hand. Nach diesen schweren Verletzungen hätte er auf den Militärdienst verzichten können, tat es aber nicht.
Am 1. Juli 1944 trat ein Ereignis ein, das für die Verschwörer günstig war. Stauffenberg, zum
Oberst befördert, wurde Chef des Stabes des Ersatzheeres unter Generaloberst Friedrich Fromm. Es war klar, dass er von nun an an den Besprechungen im Führerhauptquartier
teilnehmen würde. In dieser Situation entschloß sich Stauffenberg, selbst das Attentat zu verüben.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg (15. November 1907 - 20. Juli 1944)
Bei den Vorbereitungen des Attentats nutzten Stauffenberg und andere Verschwörer den Plan unter dem Decknamen „Walküre". Er war schon früher auf Vorschlag von General Olbricht ausgearbeitet und von Hitler gebilligt worden. Er sah
die Niederschlagung eines eventuellen Aufstandes von Millionen in Deutschland beschäftigter Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und politischer Häftlinge durch Einheiten des Ersatzheeres vor. Die Verschwörer wollten diesen Plan
für eigene Zwecke nutzen. Er war Tarnung und Ausgangspunkt für den geplanten Staatsstreich. Nach Bekanntgabe der Losung „Walküre" sollte das Ersatzheer, dessen Stabschef Oberst Stauffenberg war, sowie andere bei Berlin stationierte
Einheiten alle wichtigen Objekte besetzen. Goebbels und andere faschistische Hauptpersonen, die sich in Berlin aufhielten, sollten verhaftet werden. Das Ziel war eine neue deutsche Regierung.
Stauffenberg entschloß sich, so einen Sprengstoff anzuwenden, den er in seiner Aktentasche verstecken könnte. Er
wußte, dass die Aktentaschen der zu den Besprechungen im Führerhauptquartier kommenden Stabsoffiziere nicht kontrolliert wurden. Am 11. Juli 1944 begab sich Stauffenberg nach Obersalzberg, wo Hitler weilte, und war
entschlossen, das Attentat zu begehen. Er gab seinen Plan aber auf, weil bei der Besprechung Himmler nicht zugegen war. Stauffenberg war der Ansicht, daß Himmler und Göring zusammen mit Hitler beseitigt werden mussten.
Die nächste Gelegenheit bot sich am 15. Juli 1944. Stauffenberg kam an diesem Tag zu einer Besprechung unter
Beteiligung Hitlers in die Wolfschanze. Die Besprechung begann um 11.00 Uhr und dauerte nur kurz, so dass nicht genügend Zeit für Einschaltung des Zünders war.
Am 18. Juli 1944 wurde Stauffenberg benachrichtigt, daß er sich am 20. Juli 1944 erneut zur Wolfschanze begeben
sollte. Er sollte einen Bericht über die Neuaufstellung von Volksgrenadierdivisionen zur Stabilisierung der katastrophalen Lage im Osten erstatten.
Am Morgen des 20. Juli 1944, einige Minuten nach 6.00 Uhr, verließ Stauffenberg seine Wohnung in Berlin-Wannsee
und fuhr mit dem Wagen zum Flugplatz Rangsdorf. Dort wartete schon auf ihn die Kuriermaschine, eine Junkers „Ju-52". Zusammen mit seinem Adjudanten, Oberleutnant Werner von Haeften, stieg er in das Flugzeug. Vor dem Start stellten
beide sorgfältig ihre Aktentaschen neben sich. In jeder war eine 975 Gramm schwere Bombe mit einem englischen, chemischen Zeitzünder. Nach über zwei Stunden Flugzeit landeten sie beim Gut Wilhelmsdorf, 5 km von der Wolfschanze entfernt.
Ungefähr um 11.30 gingen Stauffenberg, Buhle, Thadden und Lechler zum Generalfeldmarschall Keitel. Im Laufe der 45
Minuten währenden Unterredung besprach man den Bericht Stauffenbergs, bevor er ihn dem Führer vorstellte. Um 12.00 rief Hitlers Diener Keitel an, um daran zu erinnern, dass im Zusammenhang mit dem Eintreffen Mussolinis in der
Wolfschanze, die Lagebesprechung von 13.00 Uhr auf 12.30 Uhr verlegt werden musste. Wenige Minuten nach 12 Uhr beendete Keitel das Gespräch mit der Erklärung, es sei höchste Zeit, sich zur Lagebaracke zu begeben.
Stauffenberg sagte, er wolle sich noch erfrischen und das Hemd wechseln. Keitels Adjudant, John von Freyend, öffnete
ihm sein Schlafzimmer. Haeften ging mit Stauffenberg hinein. Sie beabsichtigten, die Zünder beider Bomben
einzuschalten und beide Bomben in eine Aktentasche zu legen.
Die vor dem Bunker wartenden Offiziere wurden unruhig, denn es war schon sehr spät. Sie schickten Oberfeldwebel
Vogel zu Stauffenberg mit der Bitte, sich zu beeilen. Erst eine Bombe war fertig, als Vogel in der Tür gleich hinter Stauffenberg und Haeften stand und drängte zu gehen. Es war nicht mehr Zeit, die zweite Bombe fertigzumachen und
sie mit der ersten zusammenzulegen. Haeften legte sie daher in seine Aktentasche und ging zum Auto. Auf diese Weise blieb in der Aktentasche Stauffenbergs nur eine Sprengstoffpackung.
Stauffenberg schloß sich endlich den auf ihn wartenden Offizieren an, und schnell begaben sie sich zur Lagebaracke. Kurz nach 12.30 Uhr war Stauffenberg im Lageraum. Dieser befand sich am Ende der Baracke und hatte die Ausmaße 5
x 10 m. In der Mitte stand ein großer, solider Tisch für die Karten. Die dicke Tischplatte aus Eichenholz stützte sich auf zwei massive Sockel.
Grundriss der Lagebaracke am 20. Juli 1944
1) ADOLF HITLER 2) Generalleutnant Adolf Heusinger 3) General der Flieger Günther Korten (tödlich verletzt)
4) Oberst im Generalstab Heinz Brandt (tödlich verletzt) 5) General der Flieger Karl Bodenschatz, Görings Stabschef
6) Oberstleutnant Heinz Waizenegger 7) Generalleutnant Rudolf Schmundt, Chefadjudant der Wehrmacht bei Hitler (tödlich verletzt) 8) Oberstleutnant Heinrich Borgmann, Hitlers Adjudant 9) General Walter Buhle 10) Konteradmiral Karl-Jesco von Puttkammer, Hitlers Adjudant 11) Stenograph Dr. Heinrich Berger (tödlich verletzt) 12) Kaptän zur See Heinz Aßmann
13) Oberstleutnant John von Freyend 14) Generalmajor Walter Scherff 15) Konteradmiral Hans Voß 16) SS-Sturmbannführer Otto Günsche, Hitlers Adjudant 17) Oberst Nicolaus von Below, Hitlers Adjudant
18) SS-Gruppenführer Hermann Fegelein 19) Stenograph Heinz Buchholz 20) Major Herbert Büchs 21) Gesandter Franz Sonnleithner 22) General Walter Warlimont 23) Generaloberst Alfred Jodl
24) Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Chef des OKW 25) Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg
Die Besprechung hatte schon begonnen. General Heusinger sprach über die Situation an der Ostfront. Keitel unterbrach
den Bericht und stellte Hitler Stauffenberg vor. Noch vor Eintreten in die Lagebaracke bat Stauffenberg John von Freyend um einen Platz in der Nähe Hitlers. Keitels Adjudant bat Konteradmiral Hans Erich Voß, sich auf die andere
Seite des Tisches zu begeben. Dessen Platz wies er Stauffenberg an, und er stellte an diese Stelle dessen Aktentasche ab. Auf diese Weise kam Stauffenberg auf die rechte Seite Hitlers, von dem ihn zwei Personen trennten.
Als die Tasche mit der Bombe unter dem Tisch aufgestellt war, mußte Stauffenberg so schnell wie möglich den
Konferenzsaal verlassen. Er sagte Keitel, daß er telefonieren müsse, und ging aus dem Lageraum.
Der Oberst begab sich eilig zum Bunker, in dem die Persönliche Adjutantur des Führers war. Dort warteten auf ihn
General Fellgiebel und Haeften mit einem Wagen. In diesem Augenblick brach in der Lagebaracke die Explosion aus. Stauffenberg und sein Adjudant bestiegen schnell das Auto und begaben sich in Richtung Flugplatz. Unterwegs sahen sie, dass sich über der Lagebaracke eine gewaltige Rauchwolke erhob. Um die Baracke herum herrschte großes
Durcheinander. Die ersten Verletzten wurden herausgetragen. Die Sprengkraft war eine gewaltige. Stauffenberg war überzeugt, dass Hitler nicht mit dem Leben davongekommen sei.
Zerstörte Lagebaracke am 20. Juli 1944
Nach kurzem Augenblick wurde der Wagen vor der Wache am Südwestausgang des Sperrkreises I angehalten. Es gab
hier keine größeren Schwierigkeiten, da es erst kurz nach der Explosion war. Alarm war noch nicht ausgerufen, und Stauffenberg hatte einen gültigen Passierschein. Er sagte etwas über einen dringenden Befehl Hitlers, und der
Wachposten erlaubte ihm, durchzufahren. Einige Minuten später kamen sie an die Außenwache Süd. Inzwischen war Alarm gegeben. Der wachhabende Oberfeldwebel Kolbe wollte sie nicht durchlassen. Stauffenberg mußte aus dem
Wagen steigen und sich ins Wachlokal begeben, um jemanden anzurufen, der den Befehl zum Durchlassen geben konnte. Er rief Rittmeister Möllendorff an, der befahl, Stauffenberg durchzulassen. Der Weg zum Flugplatz war offen.
Unterwegs warf Haeften die zweite, nicht genutzte Bombe durch das geöffnete Wagenfenster. Um 13.15 Uhr startete das Flugzeug mit Stauffenberg und Haeften in Richtung Berlin.
Als die Bombe in der Lagebaracke explodierte, befanden sich dort 24 Personen. Die Explosionskraft warf alle auf die
Erde. Das ganze Innere der Baracke wurde zerstört. Vier Personen wurden tödlich verletzt. Der Stenograph Dr. Heinrich Berger strab noch am selben Tag; Oberst Heinz Brandt und General Günther Korten - zwei Tage später und
Generalleutnant Rudolf Schmundt - am 1. Oktober 1944. Die übrigen Anwesenden erlitten geringere oder größere Verletzungen.
Nach kurzem Augenblick erschallte der Ruf Keitels: „Wo ist der Führer?" Der Feldmarschall erblickte ihn im dichten
Rauch und half ihm, die Lagebaracke zu verlassen. Kurz danach fanden sich bei Hitler ebenfalls sein Adjudant Julius Schaub und sein Diener Heinz Linge ein. Sie begleiteten ihn zu seinem Wohnbunker, wo sich die Ärzte seiner
annahmen. Er hatte am rechten Ellenbogen einen Bluterguss und Hautabschürfungen an der linken Hand. Sein Gehör war beschädigt, seine Trommelfelle waren geplatzt. Seine neuen Hosen waren nur noch Fetzen, die Haare angesengt.
Alle Verletzungen erwiesen sich jedoch als leichte, er fühlte sich gut. Der massive, solide Sockel, hinter dem die Bombe
war, und die dicke Tischplatte aus Eichenholz hatten Hitler etwas geschützt. Große Bedeutung hatte auch die Tatsache,
dass die Besprechung in der leichten Baracke stattfand, wo die Druckwelle durch die Fenster entweichen konnte. Hitler erachtete seine Rettung als Wunder.
Etwa um 15.00 Uhr kehrte das Flugzeug mit Stauffenberg und Haeften an Bord nach Berlin zurück. Haeften telefonierte zur Bendlerstraße und übermittelte die Nachricht: „Hitler ist tot." Zwischen 15.50 Uhr und 16.00 Uhr löste endlich
General Olbricht „Walküre" mit dem Stichwort „Deutschland" aus. Kurz danach erreichte die Verschwörer die Nachricht,
dass der Führer nur leicht verletzt sei. Das rief ihre Unentschlossenheit hervor und Angst vor Hitlers Rache. Den Verschwörern gelang es nicht, Berlin zu beherrschen. Das Unternehmen „Walküre" scheiterte nach wenigen Stunden.
Kurz nach 23.00 Uhr wurde Stauffenberg zusammen mit einer Gruppe anderer Verschwörer verhaftet. Auf Befehl
General Fromms wurde unverzüglich ein Standgericht abgehalten. Vier der Verschwörer wurden zum Tode verurteilt: Oberst Stauffenberg, Oberleutnant Haeften, General Olbricht und Oberst Metz.
Kurz nach Mitternacht stand der verwundete Claus Schenk Graf von Stauffenberg, gestützt auf seinen Adjudanten,
zusammen mit anderen Verurteilten im Hof des Allgemeinen Heeresamtes in der Bendlerstraße vor dem Sonderkommando. Der Platz der Exekution war durch Kraftfahrzeugscheinwerfer erleuchtet. Als die Maschinengewehre auf ihn zielten, rief er: „Es lebe das heilige Deutschland." Als er starb, war er kaum 37 Jahre alt.
Um 1 Uhr nachts übertrugen alle deutschen Sender eine Ansprache Hitlers, in der er u.a. sagte: „Eine ganz kleine Clique
ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und zugleich mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmachtführung auszurotten. Die Bombe, die von
dem Oberst Graf v. Stauffenberg gelegt wurde, krepierte zwei Meter an meiner rechten Seite... Ich selbst bin völlig unverletzt bis auf ganz kleine Hautabschürfungen, Prellungen oder Verbrennungen. Ich fasse es als eine Bestätigung
des Auftrages der Vorsehung auf, mein Lebensziel weiter zu verfolgen, so wie ich es bisher getan habe..."
Himmler berief in der Gestapo sofort eine „Sonderkommission 20. Juli" ein. Ihre Aufgabe war es, die Ereignisse zu
untersuchen, und weitere Verschwörer aufzuspüren. Diese Kommission arbeitete bis zum Tode Hitlers. Etwa 7000 Personen wurden verhaftet. Ab August 1944 war der Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Dr. Roland Freisler tätig.
Die Urteile wurden sofort nach ihrer Verkündigung vollstreckt. Die Exekutionen dauerten bis April 1945. Insgesamt wurden ca. 5000 Personen hingerichtet. In Plötzensee wurden die Offiziere mit Klaviersaiten an Fleischerhaken aufgehängt. Auf Hitlers Befehl wurden während der Exekutionen Filme gedreht, die sich der Führer dann in der Wolfschanze ansah.
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