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Die Geschichte der Krim
Die Krim hatte, schon lange bevor russische Zaren die Hand nach ihr ausstreckten, zahlreiche
Völker angezogen. Die Halbinsel, die nur durch einen schmalen Streifen im Norden mit dem Festland verbunden ist, bot mit ihren so unterschiedlichen Landschaften vielen Völkern Zuflucht. Ethnische und kulturelle Vielfalt ziehen sich wie
eine Grundkonstante durch die bewegte Geschichte der Krim, die niemals nur von einer Kultur oder einem Volk gänzlich beherrscht wurde. Der Ursprung der Bezeichnung >Krim< ist ungeklärt. Europäische Historiker des 19. Jahrhunderts
führten den Namen auf die >Kimmerier< zurück. Späteren etymologischen Studien zufolge entspricht die Bezeichnung dem tatarischen Wort für >Festung< oder >Graben<.
Von der Antike bis zum späten Mittelalter
Im 8. Jahrhundert vor Christus besiedelten die Kimmerier die Krimebene, ein aus Südrußland
und der Ukraine stammendes nomadisches Reitervolk, über das man bis heute nur sehr wenig weiß. Sein Name ist vermutlich eine Sammelbezeichnung: Die Kimmerier waren mit vielen Kulturen der Bronze- und frühen Eisenzeit verbunden.
Zu dieser Zeit hatten sich in den Bergen und an der Südküste der Krim schon die Taurier niedergelassen, ein geheimnisvolles, kriegerisches Volk, von dem die Insel ihren antiken Namen >Taurien< erhielt. Bereits im 5. Jahrhundert vor
Christus bezog sich Herodot, der Vater der griechischen Geschichtsschreibung, in den ersten Aufzeichnungen über die Krim auf dieses >Taurien<. Im 7. Jahrhundert vor Christus kamen die Skythen, ein mit den Persern verwandtes
Nomadenvolk, und besiedelten die Steppengebiete nördlich des Krimgebirges. Ihr mächtiges Reich umfaßte das Gebiet von Donau bis Don, und seit dem 3. Jahrhundert beherrschten die Skythen von Neapolis aus, dem heutigen Simferopol', etwa 600
Jahre lang die Steppen der Krim. Die Griechen und die Skythen hinterließen die deutlichsten Spuren auf der Halbinsel. Eine Allianz griechischer Stadtstaaten gründete 480 vor Christus an der Nordküste des Schwarzen Meeres das
Bosporanische Reich, benannt nach dem Kimmerischen Bosporus, der >Straße von Kerc'<. Die Hauptstadt dieses Reiches war Pantikapej, das heutige Kerc'. Im 4. Jahrhundert vor Christus befand sich das Bosporanische Reich auf dem Gipfel
seiner wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung; es kontrollierte die Halbinsel und weitere an das Schwarze Meer grenzende Regionen. Auch mit den benachbarten Skythen wurden Handelsbeziehungen unterhalten. In der zweiten
Hälfte des 2. Jahrhunderts nahm die Bedrohung durch die Skythen jedoch zu. Um 107 vor Christus entschloß sich der bosporanische König Paerisades V, den pontischen König Mithridates Vl. um Schutz zu ersuchen, doch die Skythen kamen dem
zuvor und töteten Paerisades. Mithridates wurde im Jahre 63 vor Christus von den Römern geschlagen, und nun stand das gesamte Reich unter römischer Kontrolle. Durch den Einfall der Goten Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts wurde die
Macht des Bosporanischen Reiches empfindlich geschwächt, die Hunnen brachten ihm im Jahre 370 schließlich endgültig den Untergang. Sie besetzten große Teile der Krim - die griechische Siedlung Chersones, im 5. Jahrhundert vor Christus von
den Griechen in der Nähe des heutigen Sevastopol' gegründet, blieb davon jedoch weitgehend unberührt. Viele andere Völker, wie zum Beispiel die Alanen und Samarten, beherrschten zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Regionen
der Krim, die damit schon im Altertum ein Vielvölkergemisch beheimatete. Wie archäologische Funde beweisen, ließen sich auch die Römer auf der Halbinsel im Schwarzen Meer nieder und unterhielten an der Südküste zeitweilig römische
Befestigungen. Seit dem 7. Jahrhundert erhoben auch die Chasaren, ein turksprachiges Nomadenvolk aus Mittelasien, Anspruch auf die schon damals strategisch günstig gelegene Region im Schwarzen Meer. Mit dem Entstehen
der Kiewer Rus' im 9. Jahrhundert, dem ersten ostslawischen Staat, aus dem sich Jahrhunderte später unter anderem das Moskauer Reich herausbildete, wuchs die Bedeutung der Krim als Umschlagplatz für Handelswaren, die über den Dnipro nach
Byzanz und weiter in den Mittelmeerraum gelangten. Zum Ende des 10. Jahrhunderts hatte Chersones bereits viele Herrscher gehabt. Den Griechen waren Römer, Goten und Türken gefolgt. Im Jahre 988 belagerte der Kiewer Großfürst Vladimir
das mittlerweile byzantinische Chersones, um so die Herausgabe der Schwester von Basilios, dem Kaiser von Byzanz, zu erzwingen. Militärischer Zwang alleine reichte jedoch nicht aus, und Vladimir erfüllte schließlich mit der Annahme des
Christentums die wichtigste Forderung des byzantinischen Herrschers. Noch im selben Jahr ließen sich Vladimir und seine Gesandtschaft in Chersones von einem byzantinischen Priester taufen, danach wurden Vladimir und Anna, die Schwester von
Basilios, getraut. Dies war der Grundstein des späteren russisch-orthodoxen Christentums. Erste Christengemeinschaften hatten vermutlich schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung an den Küsten der Halbinsel gelebt.
Im Jahr 1399 wurde Chersones von den Tataren der Goldenen Horde, die im nordwestlichen Mongolenreich die Nachfolge von Dschingis-Khan angetreten hatten, zerstört. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts existierten noch vereinzelte Teile der Stadt,
bis schließlich auch die letzten Bewohner Chersones endgültig verließen. Bereits ein Jahrhundert zuvor hatten die handeltreibenden Genueser und Venezianer verstärkt begonnen, auf der Krim Fuß zu fassen. Nachdem sich die Genueser
gegen die Venezianer durchgesetzt hatten, ließen sie sich in den Jahren nach 1270 an der Südküste der Krim nieder und gründeten bei Balaklava, Sudak, Feodosija und Kerc' Handelsniederlassungen. Erneut florierte der Handel am Schwarzen
Meer, nun unter der Vorherrschaft der italienischen Seefahrer und Kaufleute. Das genuesische Zentrum auf der Krim wurde Caffa auf dem Gebiet des heutigen Feodosija. Bei den Versuchen, ihren Landbesitz auf der Halbinsel auszudehnen, kam es
immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Tataren und mit dem Feudalfürstentum Theodoro, dessen Zentrum sich in der >Höhlenstadt< Mangup befand. Die verheerenden Feldzüge des Tatarenführers Timur beendeten
die wirtschaftliche Blüte der italienischen Kolonien, die zusätzlich durch Aufstände der einheimischen Bevölkerung gegen Ende des 14. Jahrhunderts geschwächt wurden. Die Handelsniederlassungen bestanden dennoch weiter, bis 1475 türkische
Truppen an der Südküste einfielen und die Genueser vertrieben. Der tatarische Heerführer Haggi Girei hatte mit seinen Truppen die Halbinsel bereits Mitte des 15. Jahrhunderts erobert. Er hatte sich samt seinen Kriegern von der
Goldenen Horde abgespalten und wurde nun der Begründer des tatarischen Krimkhanats. Zunächst beschränkte er sich darauf, den Genuesern Tributzahlungen abzufordern. Erst die Überfälle der türkischen Truppen zwangen die italienischen
Kolonialisten zum Abzug. Nun festigte sich das Krimkhanat unter der Dynastie Gireis, das seinerseits die osmanische Vorherrschaft anerkennen mußte. Für die nächsten 300 Jahre bestand das Khanat mit der Hauptstadt Bachcisaraj als
Protektorat des osmanischen Sultans, obgleich es innen- und außenpolitisch weitreichende Vollmachten besaß.
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Vom Anschluß an Rußland bis zur Oktoberrevolution
Im Laufe des 18. Jahrhunderts richtete sich die russische Expansionspolitik im Süden des Reiches vor allem gegen das Krimkhanat, das
seit 1475 ein mehr oder weniger unabhängiger Vasall des Osmanischen Reiches war. Ein erster Angriff russischer Truppen im Jahr 1687,
unterstützt von Don- und Dnipro-Kosaken, scheiterte jedoch. Zwei Jahre später konnte Fürst Golicyn die russischen Truppen immerhin
bis zur Festung Perekop am schmalen Zugang zur Halbinsel führen, mußte sich dann aber doch wieder zurückziehen. Zwar gelang es, im
Krieg von 1736 bis 1739 die türkischen Truppen zu schlagen, doch stießen russische Truppen nur vorübergehend in Gebiete des
Krimkhanats vor. Für den großen Sturm auf die Krim war es noch zu früh, denn der eigentliche Gegner Rußlands war das Osmanische Reich, das zu dieser Zeit das Schwarze Meer kontrollierte.
Noch ohne jeden Zugang zum Schwarzen Meer gelang es 1770 einer russischen Flotte, Europa zu umschiffen und über das Mittelmeer
praktisch vor der Haustür des Sultans zu landen. In einem vierjährigen Krieg konnte das Russische Reich den Osmanen erste Gebiete
nördlich des Schwarzen Meeres zwischen Bug und Dnipro abringen, einschließlich der Schwarzmeerfestung Kimburn sowie der Festung
Kerc' im äußersten Osten der Krim am Ausgang des Azovschen Meeres. Im Jahre 1771 besetzten russische Truppen die Krim und
ersetzten das osmanische durch ein russisches Protektorat. Zunächst hatte Rußland dem Krimkhanat Unabhängigkeit zugesichert, doch
als Katharina II. vier Jahre später einen neuen Khan einsetzte, gegen den die krimtatarische Oberschicht rebellierte, besetzten russische Truppen erneut die Halbinsel.
Im Frieden von Kütschük-Kainardschi von 1774 mußte der Sultan auf Druck der Zarin Katharina II. die volle Unabhängigkeit des
Krimkhanats anerkennen. Damit war ein weiterer Schritt in Richtung einer Annexion durch das Russische Reich getan. Im Jahre 1783
schließlich wurde der Khan endgültig abgesetzt und die Krim von Rußland annektiert. Die Halbinsel wurde Teil des neu geschaffenen
Gebietes Taurien (Tavriceskaja oblast'), das Zar Paul I. 1796 aber als Verwaltungseinheit auflöste und der Provinz Neurußland
(Novorossija) einverleibte. Per Erlaß von Zar Alexander I. wurde schließlich 1802 das Gouvernement Taurien (Tavriceskaja gubernija)
gebildet, das neben der Krim auch weite nördlich von ihr gelegene Steppengebiete umfaßte. Die Bezeichnung >Krim< verschwand ganz
aus dem offiziellen administrativen Sprachgebrauch -ein Ausdruck dafür, daß >Krim< mit dem krimtatarischen Khanat assoziiert wurde und deswegen nicht mehr erwünscht war.
Der russische Krim-Mythos begann mit der von Zeitzeugen dokumentierten Reise von Katharina II. durch die frisch eroberten
südlichen Provinzen im Jahre 1787. Zu diesem Zeitpunkt war die geostrategische Bedeutung der Halbinsel zwar allgemein bekannt, doch
die Beschaffenheit der Region wurde erst allmählich von Wissenschaftlern und Diplomaten im Dienste der Zarenfamilie erkundet. Die
illustre Reisegesellschaft der Zarin bestand neben dem österreichischen Kaiser Joseph II. aus französischen, englischen und deutschen
Gesandten. Die Reise war somit zugleich eine unverkennbare politische Geste, die die Größe und den Einflußbereich des Russischen
Reiches abstecken sollte. Die berühmten >Potemkinschen Dörfer< sind untrennbar mit dieser Reise verbunden. Wenngleich der
Gouverneur und Favorit der Zarin, Fürst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (17391791), nicht die heute oft mit dem Begriff assoziierten
Häuser- und Dorfattrappen errichten ließ, so inszenierte er dennoch die Reise äußerst erfolgreich: frisch angestrichene Fassaden,
singende, wohlgenährte Bauern auf den Feldern sowie Krimtataren, die ihre Loyalität zur russischen Zarin demonstrierten, hinterließen
einen nachhaltigen Eindruck von Naturschönheit, Wohlstand und friedlichen Untertanen. Potemkin nutzte diese Gelegenheit, um seine
politischen Gegner zu entwaffnen, die in St. Petersburg Gerüchte über sein mangelndes Geschick auf der Krim geschürt hatten.
Die Eingliederung des Khanats in das Russische Reich folgte dem bewährten Prinzip russischer Kolonialpolitik, die unterworfenen Eliten
nicht vor den Kopf zu stoßen, solange die Oberherrschaft militärisch gesichert blieb. Moskau übernahm die bereits vorhandene
Verwaltungsstruktur und unterstellte sie einem Gouverneur. Die russischen Behörden kooperierten zunächst mit der krimtatarischen
Oberschicht, die Privilegien und Landbesitz behielt. Die Krimtataren konnten somit, sofern sie die russische Herrschaft nicht in Frage
stellten, vorübergehend ihre kulturelle und religiöse Identität bewahren. Schon bald setzte jedoch eine verstärkte Russifizierung der Krim ein.
Die Krimtataren rebellierten dagegen nicht mit Waffen, sondern mit den Füßen. Die massive Emigration der Krimtataren ins
Osmanische Reich war teils durch die russische Politik auf der Krim und teils durch die aktive Aufforderung aus dem Osmanischen
Reich, ins >Land des Islam< zu ziehen, motiviert. Zu dieser Zeit bezeichnete der Heimatbegriff der Krimtataren somit eher eine religiöse
als eine streng territorial definierte Identität. Um 1860 hatten bereits zwei Drittel der Krimtataren - unter ihnen sowohl die einst
dominanten Landbesitzer als auch die krimtatarische Bauernschaft - die Halbinsel verlassen. Die Auswanderungswelle erreichte
während des von Rußland verlustreich geführten Krimkrieges von 1853 bis 1856 gegen das Osmanische Reich, England und Frankreich
ihren Höhepunkt. Der Krieg endete mit der Niederlage Rußlands, als die Alliierten den schon damals wichtigsten Flottenstützpunkt
Sevastopol' einnahmen, nachdem sich russische Truppen 349 Tage lang gegen die angreifende Übermacht verteidigt hatten. Der
Krimkrieg wurde trotz seiner weitreichenden innen- und außenpolitischen Konsequenzen für das Russische Reich rasch in ein Symbol russischen Heldentums umgedeutet. Er besiegelte die dauerhafte russische Identifizierung mit der Krim.
Im Jahre 1897 waren die Krimtataren auf der Halbinsel mit nur noch einem Drittel der Bevölkerung deutlich in der Minderheit. Dem
russischen Zensus zufolge lebten zu diesem Zeitpunkt knapp über 186000 Krimtataren auf der Krim, was einem Bevölkerungsanteil von
34 Prozent entsprach. Demgegenüber war der slawische Bevölkerungsanteil bereits auf über 45 Prozent gestiegen. Die offiziellen Daten des Russischen Reiches unterschieden hier noch nicht zwischen Russen und Ukrainern.
Anfang des 20. Jahrhunderts formierte sich allmählich eine krimtatarische Nationalbewegung, die nun bewußt den Akzent auf die
Identifizierung mit dem Territorium der Krim setzte und sich somit vom Rest des Osmanischen Reiches beziehungsweise der Türkei
abzusetzen suchte. Ismail Bey Gasprali (Ismail Gasprinskij) wurde zur Schlüsselfigur dieser Nationalbewegung. Der krimtatarische
Philosoph begründete den für die gesamte islamische Reformbewegung wichtigen Dschadidismus, der die islamische Kultur mit
westlicher Denkweise verknüpfen sollte. Allerdings war der Dschadidismus zunächst eher religiös-kulturell als politisch orientiert.
Die Russische Revolution und der Erste Weltkrieg beschleunigten die Radikalisierung der krimtatarischen Bewegung. Die
Autonomieforderungen der krimtatarischen Partei Milli Firka kollidierten immer häufiger mit den Interessen der zahlenmäßig überlegenen Russen und Ukrainer.
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Die Krim im 20. Jahrhundert
Schon während der ersten Revolution 1905 wurde Sevastopol' das Zentrum bolschewistischer Strömungen: In diesem Jahr wurde ein
Aufstand roter Matrosen des Panzerkreuzers >Potemkin< von zaristischen Truppen blutig niedergeschlagen. Dieses Ereignis und die
darauf folgenden Unruhen in Odessa sind durch den kinematographisch äußerst beeindruckenden Stummfilm des sowjetischen Regisseurs Sergej Ejzenstejn verewigt worden.
In den Jahren 1917/1918 ergab sich auf der Krim eine den post-sowjetischen Verhältnissen nicht unähnliche Konstellation: Themen wie
die Unabhängigkeit der Krim, eine Krim-Autonomie innerhalb des neuen ukrainischen Staates beziehungsweise der Anschluß der
Halbinsel an Sowjet-Rußland sowie die Aufteilung der Schwarzmeerflotte in russische und ukrainische Kontingente standen damals
schon einmal auf der Tagesordnung - allerdings nur kurzfristig und unter anderen politischen Vorzeichen. Auch krimtatarische
Institutionen wie die krimtatarische Nationalversammlung (Kurultaj) gehen auf diese Zeit zurück. Der Kurultaj wurde am 9. Dezember
1917 im Khanspalast von Bachcisaraj eröffnet. Nur wenige Wochen später verabschiedete er die krimtatarische Verfassung als
Grundlage einer unabhängigen, jedoch kurzlebigen >Demokratischen Krim-Republik<. Auf der Krim etablierte sich die Sowjetmacht
wegen der regionalen Stärke der Menschewisten und Sozialrevolutionäre erst im Januar 1918. Der Bürgerkrieg und die Intervention
deutscher Truppen gegen Ende des Ersten Weltkrieges verzögerten die endgültige Machtübernahme durch die Bolschewisten. In ihrem
Schatten wurde eine multinationale Krimregierung eingesetzt, die sich während der deutschen Okkupationszeit sowohl gegenüber Kiew
als auch im tagespolitischen Geschehen mit den parallel existierenden krimtatarischen Institutionen auseinandersetzen mußte. Die
unter deutscher Vorherrschaft ausgehandelte Krim-Autonomie innerhalb des ukrainischen Staates verlor mit Kriegsende an Relevanz
und wurde nie in die Realität umgesetzt. Nach einer kurzen Interimsphase als >Sowjetische Sozialistische Republik Krim< im Jahre 1919
wurde die Krim nun zum letzten Sammelbecken der zarentreuen Weißgardisten unter Denikin und Vrangel', die erst im November 1920 von den roten Truppen unter Frunze zurückgedrängt werden konnten.
Am 18. Oktober 1921 wurde die Autonome Sowjetische Sozialistische Republik (ASSR) Krim als Teil der Russischen Sozialistischen
Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) ausgerufen. Kurz darauf, im November 1921 folgte die Verabschiedung der Verfassung der
Sowjetischen Sozialistischen Republik Krim - die Wortwahl demonstriert die zeitweilige Anhebung des Status der Krim, die hier noch
nicht explizit als Teil der RSFSR definiert war, allerdings bereits eng an die Gesetze der RSFSR geknüpft wurde. Die Verfassung betonte
die Gleichheit aller Nationalitäten und machte sowohl Russisch als auch Krimtatarisch zu offiziellen Sprachen. Für die Krimtataren
brachte die von Lenin eingeleitete liberale Nationalitätenpolitik eine vorübergehende Abkehr von der spätzaristischen Unterdrückung.
Mit dem Ziel der Anbindung der nichtrussischen Bevölkerung an den Sowjetstaat wurden auch die Krimtataren wieder verstärkt in die
Verwaltung der Halbinsel eingebunden. Zeitweilig waren die Krimtataren, gemessen an ihrer numerischen Stärke, in den Gremien der
Krim-Republik sogar überproportional vertreten, so daß man von den Anfängen einer nationalen Autonomie unter sowjetischen
Vorzeichen sprechen kann. Stalin bereitete Ende der 1920er Jahre diesem Trend und dem >Völkerfrühling< allgemein ein abruptes
Ende. Eine zweite, massive Sowjetisierungswelle erfaßte die Krim. Die revidierte Version der Krimverfassung vom 5. Mai 1929 ging auf
den im Oktober 1921 deklarierten ASSR-Status der Krim zurück, reduzierte die Bedeutung der krimtatarischen Sprache und begrenzte
die territoriale Autonomie der Region. Während der darauffolgenden gewaltsamen Kollektivierung wurden etwa 40000 krimtatarische Familien verhaftet beziehungsweise nach Sibirien deportiert.
Wiederholte Hungersnöte in den 1930er Jahren sowie politische Repressionen, weitere Einschränkungen in der Verfassung der
Krim-ASSR von 1937 sowie die verstärkte Russifizierung der Region - durch Sprachenpolitik sowie die Ansiedlung von slawischen
Arbeitern im Rahmen der Industrialisierungspläne Stalins - veränderten die demographische und nationale Zusammensetzung der Krim
nachhaltig. Der offiziellen Sowjetstatistik zufolge waren im Jahr 1939 49,6 Prozent der Krimbevölkerung Russen, 19,4 Prozent Krimtataren und 13,7 Prozent Ukrainer.
Auch im Zweiten Weltkrieg wurde die Krim zum Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen. In den Jahren 1941 bis 1944 okkupierte
die deutsche Wehrmacht Teile der Krim. Hitler plante, die Halbinsel, die er >Gotenland< nennen wollte, per Autobahn mit dem Reich zu
verbinden und dort Südtiroler anzusiedeln. Die Rote Armee bereitete diesen wahnwitzigen Plänen ein Ende, indem sie unter großen
Verlusten die Krim 1944 von den deutschen Truppen befreite. Nachdem Stalin bereits 1941 die rund 50 000 Krimdeutschen
überwiegend nach Kasachstan vertrieben hatte, ließ er am 18. Mai 1944 auch 181000 Krimtataren unter dem Vorwand, sie hätten mit den Deutschen kollaboriert, in Viehwaggons verfrachten und nach Zentralasien und Sibirien deportieren.
An einem einzigen Tag hatten die Truppen des NKWD, dem Vorläufer des späteren KGB, ein gesamtes Volk entwurzelt. Stalins Willkür
wird allein aus den Zahlen ersichtlich: Den acht Bataillonen der Krimtataren (Schätzungen zufolge 20 000 Mann), die auf der Krim für
die Wehrmacht kämpften, standen mindestens 20 000 krimtatarische Soldaten gegenüber, die in der Sowjetarmee kämpften. Neben
den Krimtataren waren im Juni 1944 schließlich auch 14 500 Griechen, 12000 Bulgaren und 11300 Armenier von der grausamen
Deportationspolitik Stalins betroffen und wurden ebenso systematisch von der Krim verschleppt. Die Deportation verschaffte Stalin
einen offiziellen Grund, den Status der Krim weiter einzuschränken, und am 30. Juni 1945 wurde aus der Halbinsel ein einfaches >Gebiet< (oblast') der RSFSR.
Im Februar 1945 geriet die Krim in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit, als sich Churchill, Roosevelt und Stalin dort zur Konferenz
von Jalta trafen, um über die weiteren Ziele nach dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland zu beraten. Hauptthemen waren die Aufteilung Deutschlands und die Gründungskonferenz der Vereinten Nationen.
In den folgenden Jahren wurden vor allem Russen, Ukrainer und Weißrussen, aber auch Angehörige anderer Sowjetvölker auf der
Halbinsel angesiedelt, darunter sowohl Arbeiter und Bauern als auch Vertreter des Parteiapparats. Als >Ersatz< für die deportierten
Völker sollten sie zum einen die durch die Vertreibung entstandene wirtschaftliche Lücke füllen und zum anderen den forcierten
Wiederaufbau der Krim gewährleisten. Nachdem bereits Lenin 1920 die Krim per Dekret zum >Erholungsort für die Werktätigen<
gemacht hatte, entstanden neben den vielen Sanatorien entlang der Küste auch eine Vielzahl neuer Ferienhäuser und Regierungsdatschen.
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 300. Jahrestag des Perejaslav-Vertrags - einem aus russisch-sowjetischer Sicht als
russisch-ukrainisches Bündnis interpretierten Abkommen aus dem Jahr 1654 - wurde die Krim 1954 an die Ukrainische SSR
übertragen. Diese Entscheidung wird allgemeinhin Nikita Sergeevic Chruscev zugeschrieben. Archivmaterialien stützen diese These
allerdings bisher nur begrenzt. Es ist durchaus plausibel, daß Chruscev auf einer Krimreise im Herbst 1953 zu dem Schluß gelangte, daß
die Angliederung der Krim an die Ukraine einen gezielteren Wiederaufbau der im Vergleich zurückgebliebenen Region beschleunigen
könnte. Kurz darauf unterbreitete er diese Idee, die ihm einem zeitgenössischen Augenzeugenbericht zufolge bereits 1944 in einer
Auseinandersetzung mit Stalin kam, seinen Parteikollegen in Kiew und Moskau. Im Jahr 1954 war Chruscevs eigene Machtposition
jedoch noch keinesfalls so gefestigt, daß er eine derartige Entscheidung im Alleingang hätte umsetzen können. Der KrimTransfer ging als Symbol der >brüderlichen sozialistischen Verbundenheit< in die sowjetische Historiographie ein.
Die Zugehörigkeit der Krim zur ukrainischen Sowjetrepublik spielte zu Sowjetzeiten keine besondere Rolle, noch dazu war die
Verschiebung administrativer Grenzen keine Seltenheit in der Sowjetpolitik. Im Falle der Krim erwies sich das >Geschenk< von 1954
jedoch als Spätzünder mit politischer Sprengkraft. Ende 1991, nachdem die Putschisten den letzten sowjetischen Staatspräsidenten
Gorbacev in seinem Urlaubsort auf der Krim vorübergehend festgesetzt hatten und das sowjetische Riesenreich nach dem mißglückten
Staatsstreich in unabhängige Staaten zerfiel, wurde die Frage nach der Zugehörigkeit der Schwarzmeerhalbinsel wieder akut.
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Die russisch-ukrainischen Beziehungen
Die post-sowjetische Krim-Problematik wurde maßgeblich von russisch-ukrainischen Auseinandersetzungen geprägt. Bereits im
November 1990 schlossen die Ukraine und Rußland ein Abkommen, in dem unter anderem die Unverletzbarkeit der Grenzen beider Unionsrepubliken vereinbart wurde. Doch schon bald nach der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine am 24. August 1991
verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Rußland tat sich schwer mit der Zugehörigkeit der Krim zur
unabhängigen Ukraine. Dabei hatte Moskau nicht nur die Schwarzmeerflotte mit ihrem Hauptstützpunkt Sevastopol' im Auge. In der Rhetorik prominenter russischer Politiker und Medien war immer häufiger vom Schutz der Interessen der russischen
Bevölkerungsmehrheit auf der Krim und der angeblichen Ukrainisierung der Halbinsel die Rede. Im Dezember 1991 hatte sich die
Bevölkerung der Krim mit einer knappen Mehrheit (54 Prozent) für die ukrainische Unabhängigkeit ausgesprochen, in der Hoffnung auf
einen baldigen wirtschaftlichen Aufschwung, den auch der Westen für die Ukraine vorhersagte. Doch schon kurze Zeit später, als diese
Aussichten als leere Hoffnungen hinter dem Horizont der ukrainischen Realität verschwanden, richteten sich die enttäuschten Blicke
vieler Krimbewohner auf den großen Nachbarn Rußland. Das russische Parlament erwog 1992, das >Geschenk< Chruscevs auf seine
Verfassungskonformität hin zu überprüfen, und rief das Parlament in Kiew auf, dasselbe zu tun. Noch im selben Jahr erklärte das russische Parlament die Entscheidung von 1954 als verfassungswidrig.
Nach der Wahl Leonid Kucmas zum Präsidenten der Ukraine im Juli 1994 entspannte sich das Verhältnis etwas. Vor allem die
Bevölkerung der Krim hatte mit überwältigender Mehrheit für Kucma, der auf einer Plattform für ein engeres Verhältnis zu Rußland
angetreten war, gestimmt. Doch auch für Kucma war und blieb die Krim als Bestandteil der Ukraine unumstritten, und so erteilte er den
separatistischen Bestrebungen des Stadtrates von Sevastopol', der sich im Herbst 1994 einmütig zu Rußland gehörig erklärte, eine deutliche Absage.
Gerade die russisch dominierte Stadt Sevastopol' ist eng mit der Schwarzmeerflotte verbunden und bemühte sich lange, deren
Aufteilung zwischen den großen slawischen Nachfolgerepubliken zu verhindern. Dennoch war es 1997 soweit: In rund 20 Dokumenten
wurde die Aufteilung der einstigen sowjetischen Schwarzmeerflotte zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation endgültig im
Zusammenhang mit dem lange hinausgezögerten russisch-ukrainischen Freundschafts vertrag geregelt. Es entstanden die offiziellen
Seestreitkräfte der Ukraine (119 Schiffe im Jahr 2000) sowie die russische Schwarzmeerflotte (380 Schiffe im Jahr 2000). Die Ukraine
hatte auf einen Teil der Flotte verzichtet, um durch diese Wertobjekte die hohen Energieschulden an Rußland etwas zu verringern.
Keines der Schiffe auf dem Territorium der Ukraine - dazu gehören auch Unterseeboote - ist mit Atomwaffen bestückt oder
atombetrieben. Die Verträge von 1997 geben der Russischen Föderation das Recht, auf dem Territorium der Ukraine (Sevastopol' sowie
der Luftwaffenstützpunkt Gvardejskoe bei Simferopol') bis zu 25 000 Soldaten, 132 gepanzerte Fahrzeuge und 22 Flugzeuge zu
stationieren. Rußland mietet zur Zeit einige zentrale Buchten von Sevastopol' und hat damit deren Zugehörigkeit zur Ukraine indirekt
anerkannt. Die neueste, durch wirtschaftliche Abhängigkeit bedingte Annäherung der Ukraine an Rußland hat Anfang 2001 zu
Gesprächen über eine gemeinsame Kontrolle über die beiden Teile der Flotte sowie gemeinsame Manöver geführt. Auf diese Weise
versucht Rußland, den wiederholt vor der Krimküste abgehaltenen NATO-Manövern unter ukrainischer Beteiligung entgegenzuwirken.
Außenpolitisch hat die Krim in der post-sowjetischen Zeit zur Behauptung ukrainischer Unabhängigkeit gegenüber Rußland
beigetragen. Innenpolitisch hat der langwierige nationale und regionale Verfassungsprozeß einen Beitrag zur Definition des ukrainischen
Staates geleistet und einer ausgrenzenden ethnischukrainischen Identität effektiv einen zusätzlichen Riegel vorgeschoben. Wider
Erwarten ist auf der Krim nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kein regionaler oder gar internationaler Konflikt eskaliert. Ein
ethno-regionaler Konflikt konnte auf der Krim durch ein Zusammenspiel von vier Faktoren vermieden werden: Die historisch bedingte
nationale Vielfalt der Krim hat die Herausbildung von klaren ethno-politischen Fraktionen verhindert. Darüber hinaus erwies sich
regionaler russischer Nationalismus nach 1991 als ein temporäres Phänomen. Die russische Nationalbewegung scheiterte an ihrem
Versäumnis, auf die dringenden sozioökonomischen Probleme der Region einzugehen. Das Ausbleiben expliziter außenpolitischer
Unterstützung - seitens der Russischen Föderation oder der Türkei - etablierte die Krim als innenpolitisches und regionales Problem der Ukraine.
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Die Krim und ihre jüngste Geschichte
Das Thema >Krim-Autonomie< gelangte schon vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf die politische Tagesordnung und ist
seitdem beständiges Instrument in der regionalen, nationalen und internationalen Politik geblieben. In einem regionalen Referendum -
dem ersten seiner Art auf dem Territorium der gesamten Sowjetunion - sprach sich am 20. Januar 1991 eine überwältigende Mehrheit
(93 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 80 Prozent) der Krimbevölkerung für eine Krim-ASSR innerhalb der Sowjetunion aus. Das
Zentrum sah sich gezwungen einzulenken und schuf eine ASSR innerhalb der Ukrainischen SSR. Mit dem Ende der UdSSR fiel die Krim
mit ihrem neuen Autonomiestatus somit direkt an die Ukraine. Der Zeitraum 1991 bis Anfang 1994 mit seinen zwei Krimverfassungen
legte den Grundstein für den vielbeschworenen Krim-Separatismus. Während die moderate, im Obersten Sowjet der Krim vertretene
sowjetische Elite die Forderung nach mehr Autonomie hauptsächlich mit wirtschaftlichen Vollmachten verband, konzentrierte sich die
erstarkende russisch-nationalistische Bewegung auf politische Vollmachten, die sie aus kulturellen Charakteristika der Krim und den historischen Beziehungen zu Rußland ableitete.
Diese beiden Positionen fanden in der ersten post-sowjetischen Krimverfassung vom 6. Mai 1992 ihren Ausdruck, die im Namen des
>multi-ethnischen Volkes der Krim< (mnogonacional'nyj narod Kryma) die >Republik Krim< als >Staat< (gosudarstvo) mit
Souveränität über das eigene Territorium, einschließlich aller Ressourcen und unabhängiger internationaler Beziehungen, bezeichnete.
Regionale Institutionen wie das Krimparlament und die Krimregierung wurden als >staatliche Organe< (gosudarstvennye organy)
aufgeführt, eine unabhängige Judikative benannt und die regionalen Sicherheitskräfte der regionalen Oberhoheit unterstellt. Zwar
wurde Russisch als offizielle Amtssprache benannt, doch drei Sprachen (Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch) wurden als
>Staatssprachen< der Krim definiert. Wenngleich diese Verfassung zum Symbol des Krim-Separatismus wurde, so blieb Ambivalenz ihr
Hauptcharakteristikum: Artikel 9 der KrimVerfassung bezeichnete die Krim als Teil der unabhängigen Ukraine und stellte die
Beziehungen zwischen Kiew und Simferopol' auf die Grundlage eines bilateralen Vertrags. Das ukrainische Parlament setzte diese
Verfassung umgehend außer Kraft und ersetzte sie durch eine Kompromißverfassung (25. September 1992), die zwar wichtige
Vollmachten der Krim-Institutionen intakt ließ, die Zugehörigkeit der Krim zur Ukraine jedoch deutlich hervorhob. Beiden Verfassungen lag eine territoriale Autonomievorstellung zugrunde.
Die euphorische Wahl des ersten und letzten Krimpräsidenten, Jurij Meskov, im Januar 1994 markierte den Beginn eines neuen
Abschnitts in der post-sowjetischen Geschichte der Krim-Autonomie. Diese zweite Phase war durch den raschen Aufstieg und Fall der
regionalistischen und separatistischen Kräfte des >Blok Rossija< gekennzeichnet. Präsident Meskov ging mit Rußland auf Tuchfühlung
und plante eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die russischen Nationalisten hatten den emotionalen Zuspruch der
russischsprechenden Bevölkerung jedoch rasch ausgereizt. Nur die unter Meskov auf Moskauer Zeit umgestellten Uhren (die eine
Stunde Zeitunterschied zur übrigen Ukraine bedeuteten) zeugten noch für einige Jahre von der Stimmung dieser Phase. Das
Versäumnis der russischen Nationalisten, ihre Rhetorik mit einem konkreten sozio-ökonomischen Programm zu untermauern, kostete sie die Unterstützung der russischen beziehungsweise russifizierten Krimbewohner.
Mit dem >Gesetz über die Autonome Republik der Krim< unterstellte sich der ukrainische Präsident Leonid Kucma im März 1995 die
Region, schaffte das auf regionaler Ebene eingeführte Amt des Krimpräsidenten wieder ab und stellte dem Krimparlament ein
Ultimatum für eine neue Krimverfassung. Die Reaktion Kiews erfolgte zu einem politisch günstigen Zeitpunkt, als Rußland vollauf mit
seinen internen Problemen, vor allem dem Tschetschenienkrieg, beschäftigt war. Mit dem präsidialen Eingriff in die sich
verselbständigende Krim-Autonomie befand sich die verfassungsmäßige Ausgestaltung der Autonomie erneut in einem Anfangsstadium.
Persönliche Machtkämpfe innerhalb der regionalen politischen Elite sowie das Verhalten des >Blok Rossija< kosteten die Krim einen maßgeblichen Teil der dem Zentrum eingangs abgerungenen Vollmachten.
Die letzte Phase des Verfassungsprozesses wurde durch die Verabschiedung eines noch unfertigen Gerüsts der Krimverfassung im
April 1996, gefolgt von der Annahme der neuen ukrainischen Verfassung im Juni 1996, eingeleitet. Auf der Grundlage eines zeitweiligen
Konsenses unter den regionalen Eliten gelang es, das Prinzip der Krim-Autonomie aufrechtzuerhalten, obgleich das ukrainische
Parlament bereits eine Streichung jeglicher Autonomierechte diskutiert hatte. Die zeitliche Abfolge - die Ratifizierung der nur in Teilen
fertiggestellten Krimverfassung, gefolgt von der nationalen Verfassung - erwies sich im nachhinein als geschickter Schachzug und Mittel
der Konfliktprävention. Die ukrainische Verfassung geht auf die >Autonome Republik der Krim< ein, der eine eigene Verfassung, ein
regional gewähltes Parlament und eine Regierung zugebilligt werden. Es gab Diskussionen über eine im Vergleich zu anderen Regionen
stärkere Kontrolle der Krim durch die Anwesenheit eines speziellen regionalen Vertreters des Präsidenten und der von Kiew kontrollierten Sicherheitskräfte.
Bei der Debatte über die Relevanz der Krim-Autonomie sollte jedoch nicht übersehen werden, daß auch einer teils symbolischen
Autonomie eine wichtige Funktion bei der Konfliktregulierung zukommt. Durch die ukrainische Verfassung von 1996 ist der Konflikt
zwischen Zentrum und Peripherie institutionalisiert und das Prinzip der Krim-Autonomie im ukrainischen politischen System verankert
worden. Nach der Ratifizierung der Teilverfassung zerfiel der Minimalkonsens auf der Krim erneut in wirtschaftlichen Auseinandersetzungen und Kämpfen zwischen verschiedenen Klan-Gruppierungen. Letztlich schloß sich der Kreis der regionalen
Verfassungsgebung am 23. Dezember 1998 mit der Ratifizierung der neubearbeiteten und vervollständigten Fassung der
Krimverfassung durch das ukrainische Parlament. In der Schlußphase wurde der Vorsitzende der Kommunistischen Partei der Krim,
Leonid Grac, zur Schlüsselfigur. Seine in der Legislaturperiode von 1994 bis 1998 nur durch zwei Abgeordnete im Krimparlament vertretene Partei ging aus den Parlamentswahlen im Frühjahr 1998 als stärkste regionale Kraft hervor.
Die >unendliche Geschichte< der Krim-Autonomie endete mit einer Verfassung, die beide Prinzipien - Krim-Autonomie und Bindung
an den ukrainischen Staat - wiederholt festschreibt. Das Krimparlament wird nun als >repräsentatives Organ< (predstavitel'nyi organ)
bezeichnet, das lediglich das Recht hat, normative Regelungen ohne Gesetzeskraft (normativnye akty) zu verabschieden. Es ist ein
gewisser Spielraum geblieben, vor allem für wirtschaftliche Autonomierechte und Sonderregelungen im Kultur- und Bildungsbereich, die
durch entsprechende nationale Gesetzgebung ausgestaltet werden könnten. Zusammen mit den dringend notwendigen Wirtschaftsreformen bleibt die Umsetzung des zugebilligten, wenngleich begrenzten Autonomiestatus' nach wie vor eine der
Hauptaufgaben der Regionalpolitik. Die Parlamentswahlen im März 2002 haben die regionale Vormachtstellung der Kommunisten eingeschränkt: Trotz Stimmeneinbußen
zwar nach wie vor stärkste Partei im Regionalparlament, steht die stark verkleinerte kommunistische Fraktion nun einer pragmatischen, zentristischen Mehrheitskoalition gegenüber.
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